Angelika Thaler-Jung, Chaps & More®

Sie haben Chaps & More im Jahr 2000 gegründet. Was war der Impuls für die Gründung – wie fing alles an?

Der Impuls kam damals von einem Freund, der für seine Estrichlegerkunden eine Arbeitshose suchte, die diesen extremen Ansprüchen standhalten sollte. Ich war damals schon 13 Jahre lang freiberuflich als Bekleidungstechnikerin tätig und Arbeitsplatzgestaltung war quasi einer meiner Schwerpunkte. Als ich dann den ersten Estrichleger meines Lebens sah, erkannte ich gleich, dass das „keine Hose“ sein musste, sondern dass Beinlinge mit guten Kniepolstern ausreichend sein würden. Sein Arbeitsschutz bestand nämlich aus um die Beine gewickelten Plastikfolien mit roten Einweck-Gummiringen als Befestigung. Auf dem Rückweg kaufte ich mir ein paar Meter Kunstleder, machte zu Hause einen Schnitt und nähte die ersten Beinlinge –  auf Englisch „Chaps“. Mein Freund war begeistert und ich recherchierte 2 Tage lang im Patent- und Innovationsamt in Bielefeld, um sicher zu stellen, dass es meine Erfindung noch nicht gab. Also meldete ich mein erstes Patent an, gründete die Firma Chaps & More und suchte nach passenden Zutaten, die dieses Estrich-Cromat-Gemisch aushalten würden. Der Rest war dann leider schwieriger!

Patente, Gebrauchsmuster, Zertifizierungen und Preise sind ständige „Begleiter“ der Unternehmensentwicklung. Wer treibt das Unternehmen bei Entwicklung und Innovation an, sind es die Mitarbeiter oder sind es Ihre Kunden? Und wer ist an diesen Prozessen noch beteiligt?

Ich bin der Antrieb gewesen und ich bin es heute noch. Heute sind natürlich Mitarbeiter an der Entwicklung beteiligt, die gute Ideen einbringen und die die wichtigen Kundenkontakte mit allen Inputs pflegen. Impulse kommen auch von Kunden, die wir auf den vielen Messen auf denen wir ausstellen, treffen. Hier erfahren wir unter Anderem, was wir anpassen müssen,  was gebraucht und gewünscht wird. Wenn wir für ein neues Produkt einen breiten Bedarf sehen und das Produkt zu unseren Materialien zur jeweiligen Branche und in unsere Produktionen passt, dann machen wir das. Wir gehen die Entwicklung an, gefolgt von langen Testphasen bei ausgesuchten Kunden. Bei allen Erfolgen sind wir aber auch heute noch immer überzeugt davon, dass wir die neuen Produkte besser machen müssen, als es der IST-STAND vorgibt oder es unsere Mitbewerber hinbekommen.  1:1-Kopien gibt es bei uns nicht, was vielleicht zuerst nicht immer klug ist, aber langfristig nachhaltiger.

Der Blick auf Ihre Webseite zeigt, Sie sind international unterwegs. Wie schaffen Sie es bei den unterschiedlichen Mentalitäten und Anforderungen in den einzelnen Ländern, den „Nerv“ der Kunden zu treffen?

Wir vertreiben 26 % unseres Umsatzes ins vorwiegend europäische Ausland und ausschließlich in den Business Bereich.  Es kommt dabei sehr auf das Produkt und die Branche an. Unsere Knieschoner werden in allen Ländern gebraucht und gekauft, da es kniende Arbeiten überall gibt. Unsere Spezialkleidung für Estrichleger, Gärtner + Kommunen sowie für die Natursteinbranche und die Lebensmittelindustrie bedurfte dagegen Recherchen in den jeweiligen Ländern. Wie arbeiten die Handwerker dort, wo kauft er seinen Arbeitsschutz und wie sind die Vertriebswege? Am schnellsten kamen wir immer zum Erfolg, wenn wir in den verschiedenen Ländern auf Fachmessen ausgestellt haben. Hier stellte sich immer sehr schnell heraus, ob man den „Nerv“ der Handwerker getroffen hat. Messen sind aufwendig und teuer – vor allem im Ausland. Es war jedoch immer der schnellste Weg, um neue Kunden zu begeistern und neue Vertriebspartner zu überzeugen. Leider hat uns hier Corona ausgebremst, daher haben wir uns Anfang 2021 entschlossen, Chaps & More Lager in Frankreich, UK, Spanien und Italien bei Amazon zu eröffnen. Wir sind in diesen Ländern über Amazon heute schon sehr aktiv, versprechen uns jedoch durch reduzierte Inlands-Frachtkosten und schnelleren Lieferservice ein deutliches Umsatzplus.

Sie steuern erfolgreich ein Unternehmen und sind gleichzeitig ehrenamtlich als Landesvorsitzende des Verbandes der Unternehmerinnen aktiv. Was treibt Sie bei Ihrem Engagement an?

Mir ist es wichtig, Frauen und speziell Unternehmerinnen zu unterstützen und voranzutreiben. Mit meiner Mitgliedschaft seit 17 Jahren beim VdU unterstütze ich mit meinem Mitgliedsbeitrag unsere VdU- Geschäftsstelle in Berlin mit all ihren vielfältigen Aktivitäten und ihrem politischem Einfluß in den Ministerien und im Bundestag. Der VdU hat mit ca. 1800 Mitgliederinnen in Deutschland, weltweit über den FCEM Kontakte und regelmäßigen Austausch zu allen anderen Unternehmerinnenverbänden dieser Welt. Wir wissen daher sehr genau, was funktioniert –  wo und wann –  in anderen Ländern. Wir erarbeiten kontinuierlich Ergebnisse in Kommissionen wie Mint, Internationales, Wirtschaft, Mentorentraining und Unternehmensnachfolge. Ich finde, schon aus diesem Grund müsste uns jede Unternehmerin durch ihre Mitgliedschaft unterstützen und zur Mitstreiterin werden – denn es gibt noch so viel für Frauen und Unternehmerinnen zu tun!
Als Landesverbandsvorsitzende kann ich gestalten, landesweit und auch auf Bundesebene. Nur ein starker Verband kann politisch Einfluss nehmen um Dinge zu bewegen und zu verändern, wie zum Beispiel „die Quote“ ohne die wir immer noch unter der „gläsernen Decke“ feststecken würden oder „Woman 20“, wo wir, beauftragt von der Bundesregierung, weltweit und kontinuierlich international mitwirken, dass die Rechte der Frauen eingehalten und erweitert werden und weibliches Unternehmertum weltweit wachsen kann.  Oder unsere Forderung für Equal Pay, warum bitte sollen Frauen denn weniger verdienen als Männer? Das ist aber nur ein Punkt im 10 Punkte Plan des VdU.

Was wollten Sie als kleines Mädchen werden? Spielte hier auch schon das Thema „Unternehmerin“ eine Rolle?

Die Reihenfolge war eher Prinzessin – Lehrerin – Modejournalistin – Unternehmerin. Aufgewachsen im Unternehmerhaushalt wurde ich früh mit Arbeiten im Einzelhandel betraut. Was man heute vermutlich als „Kinderarbeit“ verurteilen würde, waren wertvolle Erfahrungen fürs Leben. Sie stärkten schon früh das Selbstbewusstsein und erlaubten mir wichtige Einblicke in die Strukturen des Unternehmens meiner Eltern. Wir Kinder lernten früh, dass Arbeit Spaß machen wird, wenn man das Talent dazu hat und den Spielraum sich zu entfalten. Außerdem lernten wir Verantwortung zu übernehmen und dass sich Engagement immer lohnt.

»Wenn wir für ein neues Produkt einen breiten Bedarf sehen und das Produkt zu unseren Materialien zur jeweiligen Branche und in unsere Produktionen passt, dann machen wir das.«

Ihr Unternehmen ist in der Stadt Enger zuhause. Was spricht für den Standort und was schätzen Sie an der Region OWL?

Na ja – die im Kreis höchste Gewerbesteuer ist es jedenfalls nicht! Ich wohne seit 30 Jahren in Enger und lange Fahrzeiten sehe ich als Vergeudung der Ressource  „Zeit“. Auch meine Mitarbeiter wohnen in der Nähe und somit war vor vielen Jahren schon klar, dass wir im nahen Umfeld bleiben würden. OWL war für mich als Schwäbin anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Das Ding mit dem „Sack Salz im Keller“ war schwierig und mir fehlte die offene Art der „Süddeutschen“. Jetzt ist das ok, heute schätze ich die westfälische Wirtschaft mit ihren vielen Tüftlern und Erfindern und den Austausch mit ihnen. Aus diesem Grund bin ich Mitglied in 4 weiteren Wirtschaftsverbänden der Region und ich versuche soweit es geht, bei allen aktiv zu sein. 
Insgesamt sehe ich große Parallelen zu meiner Heimat Stuttgart  „wir können dort auch alles außer ……..“.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?

Aufstehen  –  Krönchen richten – weitermachen! Natürlich reflektiere ich sehr genau, warum etwas nicht geklappt hat und versuche es dann auf einem neuen Weg. Manches braucht mehrere Anläufe und manch gute Idee wird für ein Jahr zur Seite gelegt, weil uns die zündende Umsetzung noch nicht eingefallen ist. Heute gehe ich damit gelassener um, das ist dann halt so. Das Leben wie das Business hat eben Ecken und Kanten. Aber grundsätzlich gilt: „Geht nicht – gibt`s nicht“