Jürgen Finkhäuser – Textilhaus Finkhäuser

In diesem Jahr können Sie auf 100 Jahre erfolgreiche und bewegte Firmengeschichte zurückblicken, Herr Finkhäuser. Was waren und sind die Eckpfeiler Ihrer Erfolgsgeschichte?

Wir denken aus der Sicht unserer Kundinnen und Kunden. Was suchen sie, wie können wir ihnen helfen?

Viele andere Einzelhändler, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einem Nachfrageüberhang groß wurden, haben deutlich anders agiert und sich auch nicht umstellen können.

Wir suchen uns in unserer Markenauswahl starke Partner, um mit unserem Bekleidungsangebot stets frisch und aktuell zu sein. Wichtig ist für uns auch eine kompetente Beratung – wieder aus Sicht der Kundin, des Kunden. Das schließt auch ein, lieber auf den einen oder anderen Verkauf zu verzichten. Langfristig schaffen wir so eine Vertrauensbasis, die sich auszahlt.

Der Generationenwechsel ist in den meisten Familienunternehmen häufig eine große Herausforderung. Welchen Rat können Sie aus Ihrer Erfahrung anderen UnternehmerInnen für diese unternehmerische Situation mitgeben?

Die menschliche Komponente: wenn ich meinen Urgroßvater und Schneidermeister Franz Finkhäuser hinzuzähle, führe ich unser Unternehmen bereits in der vierten Generation. Die starre Wunschvorstellung, in denen die Kontinuität der Firma über das Glück und die Zukunft der eigenen Kinder gestellt wird, sollte aber der Vergangenheit angehören. Unsere Gesellschaft hat sich in vielen Bereichen (glücklicherweise) geändert. Sie ist dynamischer und flexibler geworden. Dieses sollte man auch bei Nachfolgefragen berücksichtigen und nicht weiterhin in archaisch geprägten Dimensionen denken.
Die wirtschaftliche Komponente: aufräumen – sowohl in den eigenen Sortimenten als auch innerhalb der Prozesse im Unternehmen. Die Firma schlank und klar aufstellen, um sich so seiner Zukunft zu stellen.

Unsere Zeit wird immer schneller, wie macht sich dies im Textileinzelhandel bemerkbar und wie gehen Sie damit um?

Es ist die stetige Suche nach Balance zwischen Kontinuität und ständiger Neuerfindung unseres Geschäfts. Kundinnen und Kunden suchen auf der einen Seite eine gewisse Konstanz, Verlässlichkeit und hohe gleichbleibende Qualität. Und gleichzeitig wird ihr Anspruch auf ein Sortiment mit hoher Aktualität immer größer und sie sind besser informiert. Wir nutzen sehr enge Kooperationen mit Marken wie Opus, Cecil, Street One oder Casamoda – um nur ein paar davon zu nennen. In der Verbindung mit ihnen können wir unseren Kundinnen und Kunden monatlich wechselnde Modethemen bieten und im Tempo mit der Branche mithalten.

Digitalisierung, Globalisierung und WorldWideWeb, der Einzelhandel steckt in der Krise. Wie begegnen Sie der Online-Konkurrenz?

Als Handelsunternehmen müssen wir digital genauso fit aufgestellt sein wie der Rest der Welt. Unser Warenwirtschaftssystem und die vollständige Integration in unsere Arbeitsabläufe ist dabei von zentraler Bedeutung. Anders geht es auch in unserer Branche nicht mehr. Manchmal muss ich lächeln, wenn ich mir vorstelle, dass unser Geschäft eigentlich eine gute IT ist – mit angeschlossenem Verkaufsraum.
Einzelhandel und Krise würde ich aber auch nicht so global und pauschal miteinander verbunden sehen. Es lohnt sich da zu differenzieren. Gerade bei Bekleidung, wo das Anfassen und das Anprobieren so wichtig sind, sehen wir unseren Vorteil. Dazu kommt natürlich ein weiterer Service-Mix von schneller lokaler Erreichbarkeit bis hin zu guter Beratung. Für zu große Handelsflächen mit Bekleidung sehe ich da schon einen schwierigen Anpassungsprozess. Lange, kostspielige Anfahrtswege und anonyme Betreuung passen vielleicht nicht mehr so in die heutige Zeit. Ganz besonders, wenn dieser Mangel nicht durch andere Formen von Aufenthaltsqualität wie zum Beispiel Gastronomie überdeckt werden kann.

»In unserer Familie wurden wir in den letzten 100 Jahren nicht so erfolgsverwöhnt, dass wir das Arbeiten verlernen konnten. Es macht uns immer noch Spaß – jeden Tag aufs Neue.«

Geschäftsmodell Familienunternehmen: Was erfüllt Sie, wo sind Sie gefordert und wie gestaltet sich die Suche nach qualifiziertem Personal in diesem besonderen Umfeld?

In einem Familienunternehmen unserer Größenordnung haben wir großen Einfluss auf ein gutes Betriebsklima. So kann das gemeinsame Arbeiten Spaß machen. Entscheidend ist dabei auch, dass wir zwar wirtschaftliche Ziele verfolgen, aber nicht eine Gewinnmaximierung für Dritte gegen die eigene Überzeugung umsetzen müssen.
Unsere größte Herausforderung sehe ich in der wachsenden Bürokratisierung und Regelungsverpflichtungen. Da sind Dutzende von Akteuren wie die Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die unterschiedlichsten Träger (Krankenkasse, Berufsgenossenschaften, Entsorgungsbetriebe…), die uns die eigentliche Arbeit erschweren. Ich würde mir da ein nach Geschäftsgröße gestaffeltes Anforderungsprofil wünschen, das die begrenzten Möglichkeiten kleiner Unternehmen besser berücksichtigen würde.

Bei der Suche nach qualifiziertem Verkaufspersonal werden häufig nur auf den Verkauf fixierte Stellen angeboten. Da finde ich breitere und selbstständigere Aufgabengebiete, die zu der jeweiligen persönlichen Kompetenz passen, für Mitarbeitende sinnvoller und für alle Seiten befriedigender.

Was macht für Sie und das Textilhaus Finkhäuser am Standort Stadt Vlotho im Kreis Herford den Unterschied zu einem Ladengeschäft in größeren Städten wie beispielsweise Bielefeld aus?

Die kurzen Wege, die Nähe zu unseren Kundinnen und Kunden sind heute als Gegenentwurf zum allgegenwärtigen Online-Shopping entscheidend. Ich denke, dass wir dieses in einer größeren Stadt so nicht umsetzen könnten.
Ein kleinerer Standort, der insbesondere durch das gegenseitige Kennen und Achten Freude macht, bietet bei näherer Betrachtung noch einen weiteren, meist unbeachteten Effekt: In unserer Familie wurden wir in den letzten 100 Jahren nicht so erfolgsverwöhnt, dass wir das Arbeiten verlernen konnten. Es macht uns immer noch Spaß – jeden Tag aufs Neue.