Oliver Flaskämper – Denkwerk

1998 gründeten Sie den bekannten Online-Preisvergleich Geizkragen.de, der 2001 zur beliebtesten Webseite Deutschlands gewählt wurde – war dies der Startschuss für Sie, weitere Unternehmen zu gründen?

Eigentlich hatte ich das „Gründergen“ von Anfang an in mir – schon als kleiner Junge hatte ich mir gedacht, dass ich wohl irgendwann selbständig sein und mein eigenes „Ding“ machen möchte … ich habe das gemacht, was man so macht: ich war auf Flohmärkten unterwegs, habe an- und verkauft – das hat mir immer Spaß gemacht. Und – ich fand Wirtschaft immer schon spannend – wie Wirtschaft funktioniert mit den Themen Angebot und Nachfrage, wie sich Preise entwickeln und warum sie sich so entwickeln. Und das hat sich dann zwangsläufig so ergeben, dass ich angefangen habe, Dinge auszuprobieren und mich selbständig zu machen.

Wann haben Sie dann Ihr erstes Start-up gegründet?

Also das richtig erste, wirklich funktionierende Start-up gründete ich im Jahr 1997. Es war zwar auch nicht erfolgreich, aber es hat funktioniert und … es gab einen Markt dafür: es war die Single- und Freizeit-Connection OWL! Wahrscheinlich kennt die keiner mehr, aber es war eine der ersten Partnervermittlungsbörsen im Internet zu dieser Zeit. Das Geschäft lief und ich hatte ungefähr 300 Personen in der Datenbank und leider ein Problem: es waren alles Männer! Und da brauchte ich gar nicht weiter zu denken, ob das irgendwie Sinn macht. Mein Fehler war, dass ich vor der Gründung keine Marktanalyse gemacht hatte und die Frauenquote im Internet lag zu diesem Zeitpunkt bei 0,2%! Das Internet war etwas von Freaks, für Freaks. Ich habe das Start-up dann begraben. Im Nachhinein natürlich total bescheuert, denn heute wissen wir ja, dass „Elite-Parter“, „Paarship“, „Neu.de“ und „Friendscout“ etc., also Partnervermittlung im Internet, das normalste der Welt ist.

Sie waren 4 Jahre bei der Bundeswehr! Wie passt dies zu Ihrem Drang nach Selbstständigkeit, Selbstbestimmtheit und Freiheit zusammen?

Viele Menschen fragen mich, wie das funktionierte, da es überhaupt nicht zusammenpasst. Aber ich glaube, das brauchte ich dann doch einmal, um wirklich den krassen Gegenentwurf zu sehen zur Freiheit – nämlich Befehl und Gehorsam und überhaupt nicht einmal etwas selber machen zu dürfen. Im Nachhinein war dies eine schöne Zeit, in der ich viel gelernt habe und viele tolle Freundschaften entstanden sind, aber die auch gezeigt hat, dass das überhaupt nicht mein Ding war. Ich wollte selber gestalten und nicht jemanden fragen müssen. Selbst bei der Bundeswehr – ich war auch Ausbilder – hatte ich mir immer viele Freiheiten erkämpft und Dinge gemacht, die sonst vorher noch niemand gemacht hatte, wie z.B. die ersten Computer dort eingeführt, da der Dienstherr noch keine bestellt hatte. Ich habe auch dort schon experimentiert und versucht, Dinge zu verbessern – soweit mich meine Vorgesetzten auch gelassen haben. Das mag ich einfach, ein wenig querdenken und auch mal Dinge anders machen, auch auf die Gefahr hin, dass man sich vielleicht lächerlich machen könnte. So wie Einstein schon gesagt hat: „Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vorne herein ausgeschlossen erscheint.“ Wenn man wirklich etwas verändern möchte, etwas, was schon da ist, zerstören möchte, dann sagt jeder „Vollkommen verrückt. Das geht nicht, das kann nicht sein“, weil es jahrelang ganz anders war.

»Bitcoin.de war eine Teamleistung und dann eben noch von Herford aus…«

Weiter zum Thema „Gründen“: Sie haben mit Bitcoin.de Deutschlands bisher einzigen regulierten Handelsplatz für die neue Internet-Währung Bitcoin gegründet … und sind unangefochten der „Kryptokönig“ aus Herford ….

Das Zitat kommt aus dem Handelsblatt. Ich war damit anfangs überhaupt gar nicht glücklich. Mittlerweile habe ich mich damit etwas arrangiert, weil es natürlich etwas suggeriert. Was damit transportiert werden sollte ist, dass ich mit Bitcoin.de einer der ersten war, der sich überhaupt mit diesem Thema beschäftigt hat. Mit ich meine ich natürlich „wir als Team“ – wir waren als Unternehmen in Deutschland die allerersten, die den Menschen in Deutschland überhaupt ermöglicht haben, in Deutschland mit Kryptowährung Handel betreiben zu können, weil es sonst einfach niemanden gab. Das war eine Teamleistung und dann eben noch von Herford aus … was viele auch so nicht vermuten. Dies sollte man auch einmal erwähnen, weil Bitcoin.de eigentlich eine Finanzplattform ist und die vermutet man eher in Frankfurt.

Das Denkwerk Herford – ein Gründer- und Unternehmerzentrum auf über 3.000qm. Sie sind Anfang 2000 vom NRW Wirtschaftsminister mit dem „GO! NRW Gründerpreis“ und vom Bundespräsidenten für Ihr Ausbildungsprojekt „ChefAzubi“ als „Ausgewählter Ort im Land der Ideen 2011“ ausgezeichnet worden. Ist Herford der neue Hotspot? Spielt hier die Musik? Berlin war gestern?

Dass hier die Musik spielt, würde ich jetzt nicht so sagen. Aber es gibt eine gute Infrastruktur, so dass man nicht gezwungen ist, woanders hinzugehen. Natürlich haben wir nicht 5 Mio. Einwohner wie Berlin, wir sind kleiner und beschaulicher und wir haben nicht so ein wildes Nachtleben wie in Berlin. Aber wir haben all das, was man als Unternehmer benötigt, um Erfolg haben zu können bzw. etwas erfolgreich umsetzen zu können. Ich vermisse nichts. Wenn man hier gründen möchte und mit der Region verwurzelt ist – das ist ja auch noch ein wichtiges Thema, ist Herford ein sehr guter Standort.

Ich glaube, dass das Denkwerk in der Konstellation der Dinge, die wir hier anbieten, wirklich einzigartig ist. Mag sein, dass es irgendwo in Deutschland etwas gibt, was ähnlich ist, aber in dieser Form mit Co-Working, Besprechungsräumen, Büros, Briefkästen, der Lounge, dem Veranstaltungsraum, Sauna, Fitness, unserem Masseur und unserer Frisörin haben wir im Denkwerk eine Menge an Auswahl – und darauf kommt es an. Wir sind mit dem Denkwerk sehr erfolgreich und bekommen viel Zuspruch – und es wächst auch von allein … weil es weiterempfohlen wird. Empfehlungsmarketing ist sowieso das beste! Das Produkt muss für sich alleine sprechen und das tut es. Das merken wir an dem stetigen Wachstum. Wir wollten hier keinen Boom oder Hype haben, sondern es sollte sich langsam entwickeln, weil die Struktur auch mitwachsen können muss. Der ganze Unterbau muss passen – wir kommen ja nicht aus der Gastronomie oder aus dem Bereich Bürocenter, wir sind allesamt Menschen (inkl. meiner Person), die da reinwachsen mussten. Das haben wir hier gut geschafft. Zudem muss man ja auch mal etwas ausprobieren. Dann gibt es Dinge, die funktionieren und es gibt Dinge, die funktionieren aber auch nicht. Das war hier im Denkwerk genauso. Man „versenkt“ auch mal Geld. Das gehört aber auch zum Ausprobieren dazu. Das ist normal. Das ist für manchen Unternehmer schwer zu verstehen oder auch schwer zu akzeptieren, aber für die öffentliche Hand wahrscheinlich noch krasser und wenn man dann mal etwas macht, was nicht so funktioniert hat, dann wird mit dem Finger gezeigt und keiner sagt: „Toll, dass du das mal ausprobiert und gewagt hast!“. Manches muss man einfach ausprobieren, da die Menschen an den verschiedenen Standorten sehr unterschiedlich sind. Auch wenn eine gewisse Vorsichtigkeit (der konservative Ostwestfale) hier ist, wird dann aber auch wertgeschätzt, wenn etwas gelingt.

Neben vielen Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten bei diversen, teils börsennotierten Unternehmen, engagieren Sie sich zudem ehrenamtlich in verschiedenen Organisationen. Woher nehmen Sie die Zeit?

Zeit ist natürlich Mangelware. Vor allem, wenn man schon mehrere Ehrenämter hat, hat es oft zur Folge, dass weitere dazu kommen oder drohen, dazu zukommen. Weil alle wissen, „der macht doch schon etwas, dann fragen wir mal den“. Da gibt es dann natürlich auch irgendwann Limits. Man hat auch einen eigenen Anspruch, all die Ämter und Funktionen zu erfüllen und wenn man sich dann am Ende nur noch entschuldigen muss, weil man es einfach nicht schafft, ist dies natürlich auch nicht motivierend und frustriert. Von daher muss man einen Ausgleich Beruf, Privatleben und den Ehrenämtern finden – vor allem, wenn einem das „Neinsagen“ schwerfällt. 

Falls Ihnen Ihr Smartphone abhandenkäme: Wäre das ein Desaster für Sie und Ihre Terminplanung?
Definitiv ja! Das wäre für mich tatsächlich der worst case, wobei ich dabei sagen muss, dass mein Smartphone für mich wirklich ein Arbeitsgerät ist. Zuhause nutze ich das Smartphone nur zur Informationsabfrage. Ich telefoniere mit dem Smartphone so gut wie gar nicht. Wenn ich am Tag 3-4 Telefonate habe, ist das schon viel. Natürlich erhalte ich sehr viele E-Mails. Das Schöne an der Arbeit mit und am Smartphone ist, dass ich nirgendwo Leerlauf habe: ob ich beim Amt sitze und warten muss oder beim Arzt – ich kann immer arbeiten!