Foto: Hermann Vogel

Musik Kontor Herford e.V. – Ralf Hammacher

Das Musikkontor wurde 2012 gegründet – was hat Sie und Ihre Mitstreiter motiviert?

Ich habe im Grunde schon seit 2003 in Herford über das Stadtmarketing Konzerte veranstaltet. Irgendwann kam dann die Frage auf, wie man das Clubleben in dieser Stadt bereichern kann und es gab die Schiller Bar & Lounge, die als Location damals leer stand. Mit sechs anderen Interessierten (was das deutsche Vereinsrecht eben so hergibt), habe ich mich hingesetzt und wir haben gesagt: “Okay, gründen wir einen eingetragenen Verein und fangen erstmal an.“ Wir haben einen Sponsoren gesucht, der uns eine Anschubfinanzierung gegeben hat. Das war die Firma Weinrich Schokolade aus Herford mit Cord Budde, der selber Bass spielt und Musikfan ist. Diese Partnerschaft hat bis heute Bestand. Ohnehin ist unser Engagement ohne die vielfältige Unterstützung aus der heimischen Wirtschaft nicht denkbar!

Wie erklären Sie sich den großen Zuspruch nach der Gründung?

Wir haben 2012 den bekannten US-amerikanischen Sänger und Saxophonisten Curtis Stigers engagiert, den ich aus mehreren Gastspielen vorher kannte – und das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die Veranstaltung war sofort ausverkauft! Und dann wurde es immer mehr.  Mit sieben Mitgliedern sind wir angefangen und sind jetzt bei fast 400. Die Anzahl ist konstant, eher leicht steigend. Sogar in Corona-Zeiten halten Mitglieder und Sponsoren uns die Treue. Dafür sind wir sehr dankbar.Wir haben Besucher im Umkreis von 100 km; etwa 30 Prozent kommen aus Herford und dem Kreis Herford, der Rest darüber hinaus. Ich glaube einfach, dass die Musikqualität und die Bandbreite -von Pop über Jazz und Soul bis zum Rock-, die wir anbieten, eine Menge Geschmäcker anspricht und das bietet, was eine gewisse Klientel gesucht und für eine lange Zeit nicht gefunden hat: nämlich Live-Musik von hoher Qualität im kleinen Rahmen. So wie früher in den kleinen Clubs, die über viele Jahre nicht mehr so angesagt waren. Heute aber wieder umso mehr.

Das Musikkontor hat Strahlkraft über Herford hinaus. Können Sie sich das erklären, denn andere Regionen bieten ja auch ein durchaus bemerkenswertes Kulturprogramm?

Wir haben natürlich mit der Nordwestdeutschen Philharmonie, dem Marta sowie der Hochschule für Kirchenmusik schon ein „Pfund“, das auch international unterwegs ist und die NWD ist – so glaube ich – das meist beschäftigte Orchester bundesweit. Ich denke, das liegt daran, dass man Musik von sehr hoher Qualität bieten muss. Das setzt sich immer durch, wenn man sein Publikum dabei im Blick behält.  Wenn man sich einmal rückblickend anschaut, wen wir alles hier in Herford hatten: die britische Singer-Songwriterin Tanita Tikaram, Curtis Stigers, Max Mutzke, die deutsche Band Passport  – sogar mehrfach, den deutschen Trompeter, Komponisten, Professor für Jazztrompete und Fotograf Till Brönner und einen der erfolgreichsten europäischen Jazzmusiker – Nils Landgren aus Schweden. Die Menschen suchen das Besondere, die Mischung aus Event, geselligem Abend und Treffen mit Freuden auf hohem Niveau mit einer guten Gastronomie. Und das haben wir geboten. Da haben wir eine Nische besetzt.

Sie holen große Musiker in die „kleine“ Provinz. Ist die Großstadt vor der Tür ein Vor- oder Nachteil?

Das ist sicherlich aufgrund der räumlichen Nähe und der Größe der Stadt interessant. Insbesondere, wenn es dort kein Angebot gibt, was wir dann aber bieten … ganz viele unserer Besucher kommen aus Bielefeld. Wir haben jetzt auch einen Sponsoren aus Bielefeld, der bei uns in diesem Jahr einsteigt. In der Region sind Gütersloh und Minden nach wie vor ganz stark. Früher mit Josef Honcia, der die Konzertreihe „Jazz in Gütersloh“ organisierte. Das war schon legendär. Wer Miles Davis nach Ostwestfalen-Lippe holt, der muss irgendwas richtig machen! Daran wollen wir uns nicht messen, aber wir sind auch auf einem ganz guten Weg; ich glaube, wir haben das auch zu Teilen erreicht. Herbie Hancock oder Gregory Porter zu Gast zu haben war schon traumhaft. Es ist übrigens kein Nachteil, in der „Provinz“ Kultur zu machen. Das Publikum ist hier sehr interessiert, aufmerksam und begeisterungsfähig. Die Künstler wissen das zu schätzen.

Muss man nicht etwas verrückt sein, um so eine „Nummer“ als Verein aufzuziehen – Musik aus der HiFi-Anlage vom Sofa aus genossen geht doch einfacher, oder?

Man muss ein bisschen irre sein, definitiv. Aber ich glaube, das ist jeder, der etwas mit der Intensität betreibt. Vor allem zudem noch ehrenamtlich. Da muss man keinen Unterschied zwischen Sportvereinen oder Kulturvereinen machen. Man muss für eine Sache brennen und da gehört ein bisschen Irrsinn und Wagemut schon mit dazu. Und ein Livemusik-Erlebnis ist durch nichts zu ersetzen. Wir werden heutzutage mit digitaler Musik überschwemmt, da genießt man das umso mehr.

»Man muss für eine Sache brennen und da gehört ein bisschen Irrsinn und Wagemut schon mit dazu.«

Foto: Hermann Vogel

Also eigentlich ein großes Lob an alle Ehrenämtler?

Definitiv ja, ohne sie sähe es anders aus im öffentlichen Leben, insbesondere kulturell.

Auf Ihrer Website wird das Musik Kontor als „musikalische Wundertüte an der Kurfürstenstraße“ beschrieben. Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Also, wenn ich mal diese Corona-bedingte Situation ausblenden darf, wünschen wir uns wieder eine Heimat! Das „Schiller“ war für uns eine solche  Heimat. Eine feste Spielstätte, die mit dem Musik Kontor gleichgesetzt wird – so nach dem Motto „die Leute wussten, das Schiller und das Musik Kontor waren EINS“. Aufgrund der früheren Schließung des „Schiller“ und der Verzögerung beim Baufortschritt des neuen „Wohnzimmer“ sind wir seit eineinhalb Jahren ein bisschen nomadenmäßig unterwegs. Das ist ziemlich nervig für Gäste und auch für uns, weil man dauernd umswitchen muss. Von zusätzlichen Kosten will ich mal gar nicht sprechen. Das bringt uns finanziell an die Grenzen. Auf eine Art und Weise ist dies sicherlich spannend, aber es macht auch müde, weil man die Energie dauernd für die Suche nach neuen Locations verwenden muss. Ich finde es großartig, dass wir hier im Marta Museum die konzertanteren Dinge spielen können, die für den Club nicht so geeignet sind. Wir freuen uns, dass wir demnächst hoffentlich wieder einen Club haben, in dem wir anständig feiern dürfen. Und mit der Rudolf-Oetker-Halle bei unseren Nachbarn in Bielefeld -teilweise in Kooperation mit den dortigen Städtischen Bühnen- haben wir eine klasse Location, in der wir die großen Konzerte fahren können. Das ist die perfekte Kombination für uns. Nicht zu vergessen: die Kirchen! Die wunderbaren Kirchen, die wir in Herford haben, in denen wir mit unseren Künstlern auch schon zu Gast waren.

Also, da kommt auch wieder der Vorteil der großen Stadt vor der Haustür: die Rudolf-Oetker-Halle.

Genau, die Rudolf-Oetker-Halle ist wunderbar!