Mail Druck + Medien GmbH – Stefan Mail

Mail Druck + Medien GmbH wurde vor über 85 Jahren 1934 im westfälischen Bünde gegründet. Damals wie heute fest in Familienhand. War Ihr Weg vorbestimmt?

Nein – gar nicht! Ursprünglich wollte ich Arzt bzw. Chirurg werden. Der „Sprung“ in das Unternehmen war eine selbstbestimmte Entscheidung. Mein Vater hatte nie Druck ausgeübt, sondern mich meinen persönlichen Weg gehen lassen. In einer Schriftsetzerei – so hieß es damals – hatte ich ein Praktikum gemacht. Danach absolvierte ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Druckerei Mail in Bünde. Eine zweite Ausbildung zum technischen Druckformhersteller folgte ebenfalls in unserem Betrieb und dort bin ich dann auch sehr gerne geblieben. Damals hatten wir 6 Mitarbeiter und mein Vater hat mir direkt viele Kompetenzen und Verantwortlichkeiten übertragen. 1993 habe ich dann noch einen (eigentlich) 2-jährigen Kurs in 5 Monaten zum Betriebswirt bei der IHK in Ulm absolviert. Und jetzt freue ich mich, dass bereits mit meinem Sohn die 5. Generation ins Unternehmen eingestiegen ist. Er hat gerade seine Prüfung zum Mediengestalter Digital und Print mit der Fachrichtung Beratung und Planung sehr erfolgreich bestanden.

Nur wenige Erfindungen haben den Lauf der Geschichte so beeinflusst wie die Druckpresse von Johannes Gutenberg, der um 1450 das Drucken mit beweglichen Lettern entwickelte … Sie haben schon Anfang der 90er Jahre mit Digitaldrucksystemen farbig gefertigt …

Das stimmt! Schon Anfang der 90er Jahre führte ich als ein Pionier der Branche die ersten Digital-Farbdrucksysteme ein. Die Branche hielt mich für verrückt, da das Verfahren noch gar nicht ausgereift war und keine Erfahrungswerte vorlagen. Ich war aber überzeugt, dass der Weg der Richtige war und der Erfolg gab mir Recht. 2007 hatte ich bereits die nächste Innovation im Blick und entwickelte mit einem Maschinenbau-Unternehmen aus Deutschland ein Laserschneidverfahren für die Produktion von Rollen-Haftetiketten ohne kostenintensive Stanzwerkzeuge/Stanzbleche. Im Juni 2008 konnten wir die erste neue Anlage schon 2-schichtig in Betrieb nehmen.
Eine weitere Herausforderung bestand in der Finanzierung. Dank der Forschung und Entwicklung dieser neuartigen Innovation wurde eine EU-Förderung (AIF) genehmigt. So waren wir auch als kleines Unternehmen in der Lage, so umfangreiche Entwicklungen umzusetzen.
Wieder schüttelten die Großen und Kleinen der Branche den Kopf! Auf Stanzwerkzeuge oder Bleche wird bei uns seit 2008 also komplett verzichtet!
Die Entwicklung des vollautomatisierten Workflows entpuppte sich als noch größere Herausforderung. Alle großen, kleinen und eigentlich innovativen Zulieferer der Druck- und Medienbranche konnten uns erstaunlicherweise nicht helfen. Darum haben wir mit einigen herben Rückschlägen innerhalb der nächsten Jahre auch die Programmierung des vollautomatisierten, durchgängig digitalen Workflows selbst umgesetzt. 2019 haben wir schließlich mit der Einführung einer KI-basierten automatischen, komplett dynamischen Sammelbahn einen weiteren großen Durchbruch geschafft.

Mit Stolz kann ich sagen: Mail Druck + Medien war das erste Unternehmen, das Rollen-Haftetiketten durchgängig, komplett digital und voll automatisiert von der Bestellung bis zum Versand der Ware produziert. Damit haben wir die Technologieführerschaft erreicht und die Branche ins Staunen versetzt. 2014 erfolgte die komplette Umstellung von Akzidenz-Betrieb zum Spezialhersteller von Rollen-Haftetiketten.

Für die Laien unter uns: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Aufklebern und Etiketten?

Es handelt sich eigentlich um die gleichen Produkte, nämlich um selbstklebende Etiketten. Einen entscheidenden Unterschied finden Sie auf der Rückseite: Aufkleber verfügen immer über eine selbstklebende Schicht, während normale Etiketten teilweise durch Band, Tacker, Kleber oder andere Hilfsmittel befestigt werden müssen. Aufkleber werden oft auch als Sticker bezeichnet. Zudem gibt es auch Rollen-Haftetiketten, die für eine maschinelle Verklebung geeignet sind. Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf die Etiketten auf Rollen. Dies sind Selbstklebeetiketten für die Kennzeichnung, z.B. Flaschenetiketten für Bier und Wein, Lebensmittel aller Art oder als Warnhinweise uneingeschränkt für alle Branchen.

Sie sind seit vielen Jahren in mehreren Prüfungsausschüssen und u.a. im Berufsbildausschuss der IHK tätig und setzen sich für die Zukunft der Druckindustrie ein. Wo liegen gerade in diesem Bereich die Probleme?

Neben aktiven Posten beim Verband Druck + Medien Nord-West im Beirat des Vorstands, als stellv. Vorsitzender seit 2016 bin ich als Delegierter im Hauptvorstand des Bundesverband Druck + Medien seit 2017 aktiv. Auch im Bereich der Bildung bin ich sehr gern intensiv engagiert, u.a. bei der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld in zwei Prüfungsausschüssen seit 2006 und im Berufsbildungsausschuss seit 2018. Zudem beim Zentral Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) in Kassel und seit über 20 Jahren im Bildungspolitischen Ausschuss der Druck- und Medienverbände (BPA).

In unserer Branche gibt es zu viele Betriebe, die nicht gut mit ihren Auszubildenden umgehen. Leider muss ich das so sagen!

Die Ausbildung dient dazu, berufliche Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Es gibt leider noch zu viele Betriebe, die ihre Auszubildenden als billige Arbeitskräfte sehen, die man ruhig auch mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigen kann. Ein respektvoller Umgang mit den Auszubildenden sollte selbstverständlich sein. Und genau dafür engagiere ich mich in den verschiedenen Ausschüssen in unserer Branche. Im Durchschnitt haben wir immer drei Auszubildende und haben auch keine Probleme, geeignete Auszubildende zu finden. Die Ausbildung im Unternehmen geht weit über das hinaus, was vom Berufsbild des Medientechnologen Druck gefordert wird. Ab dem 1. Tag werden alle Auszubildenden in den voll digitalisierten und hoch modernen Arbeitsprozess eingebunden und übernehmen umgehend auch Verantwortung. Wir haben daher keine Probleme, geeignete Auszubildende zu finden und zu halten.

»Trotz Automatisierung erfolgt kein Personalabbau, sondern wir wachsen auch an Mitarbeitenden. Und: Wir verwenden keine Chemikalien – es wird mit lebensmittelechten Farben gearbeitet – damit sind wir ein umweltfreundlicher Exot!«

Ihr Team zählt 18 Mitarbeitende und es herrscht ein sehr gutes, respektvolles Betriebsklima. Es scheint, als ob sich alle gut miteinander verstehen? Welche Voraussetzungen haben Sie als Vorgesetzter dafür geschaffen?

Wir haben in der Tat ein sehr harmonisches, fast familiäres Miteinander. Dazu beigetragen hat u.a., dass wir alle Mitarbeitenden nach dem DISG Persönlichkeitsmodell schulen. DISG ist eine Beschreibung, um sein eigenes Verhalten kennenzulernen sowie die verschiedenen Ausprägungen und Verhaltenstendenzen von Kollegen und Kunden zu verstehen. Das klappt wirklich sehr gut, so dass es beinah keine Kommunikationsprobleme oder Streitigkeiten gibt.
Darüber hinaus bieten wir Coachings in Form von Begleitung, Tipps, Anregungen und Unterstützung an, bei denen die Verantwortung oder der persönliche Stil jedes einzelnen Mitarbeitenden nicht „genommen“ wird. Das Thema Gesundheit unserer Mitarbeitenden liegt uns auch am Herzen. Wir bieten allen Mitarbeitenden Zusatzversicherungen an, z.B. Vorsorge, Zahnzusatz- und Krankenhausversicherung, auch für Familienangehörige als vergünstigtes Angebot.

Ich bin sehr stolz, dass wir in diesem Jahr erstmals mit unserer Bewerbung für die Auszeichnung „Familienfreundliches Unternehmen im Kreis Herford 2023“ gepunktet haben und am 11. September 2023 vom Landrat die Urkunde überreicht bekommen haben.

Ein Blick auf Ihre Webseite zeigt: Nachhaltigkeit und Verantwortung (Stichwort „Das grüne Etikett®) sind für das Unternehmen ein wichtiges Thema. Wie wirkt sich das im Unternehmensalltag aus?

Für uns ist es ein sehr großes Thema! Unser Ziel sind ressourcen- und umweltschonende Produktionsprozesse zur Herstellung von Etiketten mit einer großen Auswahl an nachhaltigen Materialien – Der Umwelt zuliebe! Die größte Effizienz im Umweltschutz erreicht man mit dem Einsparen von Ressourcen, der Vermeidung von Emissionen und einer umweltfreundlichen Produktion mit 100% Ökostrom, einem hoch automatisierten Produktionsprozess, mit lebensmittelechten Druckfarben, komplett ohne Mineralöle, Lösemittel und Additive. Es wird komplett auf Chemie verzichtet und ohne Makulatur produziert. Seit 2023 sind wir sogar ein komplett klimaneutraler Produktionsstandort!
Zudem ermöglicht die Produktion mit einem durchgängig digitalen, voll automatisierten Workflow eine extrem wirtschaftliche Herstellung von Rollenhaft-Etiketten. Der Vertrieb der ökologischen und wirklich nachhaltigen Etiketten erfolgte ab 2009 unter der Eigenmarke „Das grüne Etikett ®“.
Darüber hinaus sind unsere umweltfreundlichen Etiketten aufgrund unserer außergewöhnlichen Fertigung sogar in der Regel günstiger als ganz normal konventionell hergestellt.
Wir haben unser Ziel erreicht, ganz ohne „Greenwashing“! Und wieder sind wir auch im Bereich Nachhaltigkeit ein Exot in unserer Branche.

Welche neuen Projekte haben Sie sich neben all Ihren bereits vorhandenen Innovationen und der Automationen vorgenommen?

Natürlich möchten wir uns stetig im Bereich Innovation und Automation weiterentwickeln, z.B. im Bereich Digitale Veredlung. Dies gilt insbesondere für die Etiketten auf Weinflaschen und für die Kosmetikindustrie, die mit gold und silber, also einer metallischen Druckveredelung versehen sind. Hier ist bisher ein Rüstprozess mit aufwändigen Prägwerkzeugen notwendig. Ich möchte so eine Veredelung ausschließlich digital ohne Werkzeuge und Rüstvorgänge voll automatisiert umsetzen.

Was schätzen Sie ganz besonders an Ihrer Heimat Bünde?

Ich bin in Bünde geboren und habe meine ganze Jugend im Kreis Herford verbracht. Bünde ist einfach Heimat – eine kleine Stadt ohne Hektik umgeben von Natur! Auch kulturell hat Bünde so einiges zu bieten, z.B. mit dem wunderbaren Universum! Über 80 Bühnenveranstaltungen jährlich – von Kabarett über Comedy bis hin zu Konzerten und Vorträgen – werden präsentiert. Einfach toll!

Als Unternehmensstandort ist Bünde ebenfalls genial mit guter Verkehrsanbindung. Generell hat die Region OWL viel zu bieten und wird oftmals unterschätzt. Unsere Region ist einer der wichtigen Motoren der Druckindustrie in Deutschland.

 Redaktionsbeitrag zu Mail Druck + Medien GmbH I Stefan Mail
Der traditionsreiche Bünder Druck- und Medienbetrieb wurde von Joseph Mail und seinem Sohn Albert im Jahre 1934 in Bünde / Westfalen gegründet. Joseph Mail war Lithograph und Künstler. 1979 erfolgte die Übernahme durch Joachim Mail, verbunden mit einer Umstrukturierung des Unter-nehmens vom Buchdruck zum Offsetdruck. Seit mehr als 30 Jahren wird das Unternehmen in 4. Generation von Stefan Mail geführt.
Digitalisierung und Automatisierung ist für Stefan Mail ein Endlos-Projekt. Es wird immer neue Herausforderungen und Aufgabenstellungen geben, die gelöst werden müssen. Dem stellt sich Stefan Mail sehr gern. Bereits 2007 war sein Motto „Alles was automatisiert werden kann, wird automatisiert!“ Es ist ihm sehr wichtig, immer über den Tellerrand hinauszuschauen, neue Techniken zu entwickeln und damit auch die gesamte Druck- und Medienindustrie nach vorn zu bringen. Ganz aktuell steht das Bünder Unternehmen im Finale unter den besten 3-5 Druck- und Medienunternehmen aus Deutschland. In gleich drei Kategorien hatte sich Geschäftsführer Stefan Mail mit seinem Team für diese besondere Auszeichnung beworben:  ▪ Ausbildungsbetrieb des Jahres  ▪ Umweltorientiertes Unternehmen des Jahres ▪ Innovativstes Unternehmen des Jahres!  Die Sieger des Finales werden am 19.10.2023 in einer Gala-Veranstaltung in Berlin bekannt gegeben. „Aber natürlich ist schon die Nominierung als 3-facher Finalist ein sehr großer Erfolg für uns“ erzählt uns Stefan Mail im Interview.