Victoria Görlich, Hafergut Görlich   

Guten Morgen Frau Görlich, eine tolle Atmosphäre hier auf dem „Hafergut“-Hof – die Deele mit all den weißen Säcken wirkt richtig gemütlich. Woher kommt Ihre Leidenschaft für die besondere Hofspezialität? 

Eine gesunde Ernährung war mir eigentlich schon immer sehr wichtig und ich habe mich mit diesem Thema schon sehr früh auseinandergesetzt.

Während meines Studiums war ich in den USA, dort war damals eher der Begriff „low carb“ im Bereich Ernährung in aller Munde. Für mich war ein Porridge oder Müsli für einen gesunden Start in den Tag wichtig und dafür ist Hafer natürlich „sehr charmant“. Fertigprodukte enthalten meistens einen hohen Zuckeranteil – also eher nicht so gesund. Hafer gilt als eines der gesündesten heimischen Getreide. Er enthält wichtige Vitamine, Mineralien, Ballaststoffe und Antioxidantien. Zudem wurde der Hafer 2017 auch als Arzneipflanze des Jahres gefeiert. Es gibt wirklich nichts Besseres.

War dies die Geburtstunde von Hafergut?

Durch den landwirtschaftlichen Betrieb meines Schwiegervaters konnte ich mein Wissen rund um das Thema „gesunde Ernährung“ und regionaler Anbau von Getreide etc. vertiefen. Mein Schwiegervater ist natürlich mit seiner Erfahrung ein super Ratgeber und Spezialist. Mein Mann ist Agraringenieur, hat im elterlichen Betrieb viel gelernt und durfte oft auch selbst auf den Traktor …
2019 hatte ich dann die Idee, selbst Müsli anzubauen! Und so wurde – neben dem Anbau von Weizen und Raps – im Frühjahr 2020 der erste Hafer der Sorte Max ausgesät.
Wir haben Glück: die Bodenqualität hier auf unserem Hof in Bünde ist optimal für den Anbau von Hafer – das ist nicht überall so. Der Lehmboden rund um Bünde hat ein entsprechendes Wasserspeichervermögen, so dass der Hafer gut keimen kann. In meiner Heimat, dem Sauerland, kann man keinen Hafer anbauen, da sich die Böden nicht eignen.

D.h. Sie verarbeiten den Hafer nach der Ernte selbst und testen Müslivarianten in der Haferküche? Berichten Sie uns doch bitte einmal über den Herstellungsprozess und natürlich über den besonderen Geschmack Ihres Müslis.

Der Anbau des Hafers wird von der Saat bis zur Ernte von meinem Mann und mir gestaltet – natürlich immer dabei ist unser Team samt Schwiegervater. So ein Team ist einfach ein absoluter Mehrwert.

Im März erfolgt die Einsaat, Ende Juli / Anfang August wird geerntet. Nach der Ernte reift der Hafer vier Wochen in der Maschinenhalle nach und wird dann im Auftrag von Hafergut im Lohn zu Haferflocken verarbeitet. Wir haben eine besondere Flocke entwickelt: sie ist vergleichbar groß wie eine Feinblattflocke, hat aber eine festere Struktur und mehr Biss und schmeckt nussig.

Für unsere Müsli-Mischungen verwende ich nur natürliche Zutaten wie Mandeln, Rosinen, Sonnenblumenkerne. Dabei versuche ich möglichst regionale Produkte einzukaufen. Die Mischungen werden ausschließlich mit Zuckerrübensirup aus der Region gesüßt und wir verwenden für unser Schokoladen-Müsli ausschließlich bio-zertifizierte Schokolade von Weinrich aus Herford.

»Was ist der größte persönliche Gewinn? Tatsächlich sind es die Gespräche und der Austausch mit anderen UnternehmerInnen und der Familie – und auch die Zusammenarbeit mit meinem tollen 4-köpfigen Team.«

Was waren und sind Ihre größten Schwierigkeiten und Hindernisse und was Ihr größter, persönlicher Gewinn bei der Gründung von Hafergut?

Ich bin in einer Handwerksfamilie aufgewachsen und hatte wahrscheinlich somit schon das „Unternehmer-Gen“ mit in die Wiege gelegt bekommen. Daher konnte ich  mich schon früh mit einer Selbstständigkeit auseinandersetzen. Da ich BWL studiert habe, konnte ich mit Zahlen und deren Auswirkungen umgehen. Weitere Erfahrungen konnte ich im Job sammeln. Trotzdem ist es natürlich anders, wenn die eigene Firma gegründet wird und auch Investitionen getätigt werden müssen. Für die Verarbeitung des Hafers wird z.B. eine Hafermühle benötigt – das wäre eine hohe Investition gewesen. Ich habe daher eine Zusammenarbeit mit einer Hafermühle in Groß-Ippener angestrebt, das klappt wunderbar. Es gibt übrigens nur noch 7 Hafermühlen in Deutschland. D.h. es mussten viele Gespräche und Lösungen gesucht werden, um meine Idee in die Realität umzusetzen.

Manchmal wünschte ich mir, dass ich etwas schneller, mutiger bei Entscheidungen wäre. Da bin ich noch immer etwas zaghafter und vorsichtiger unterwegs. Z.B. bei der Einstellung von MitarbeiterInnen. Da kommen dann Fragen wie beispielsweise: was ist, wenn die Ernte nicht gut ist oder der Abverkauf nicht ausreicht? Wie können die Kosten gedeckt werden? Aber durch gute Gespräche, einen guten Austausch mit anderen UnternehmerInnen und Familie, wurde ich hier nicht wirklich mit Schwierigkeiten oder Hindernissen konfrontiert.

Was ist der größte persönliche Gewinn? Tatsächlich sind es die Gespräche und der Austausch mit anderen UnternehmerInnen und der Familie – und auch die Zusammenarbeit mit meinem tollen 4-köpfigen Team. Es gibt darüber hinaus seit vielen Jahren eine „Frauengruppe“, die sich regelmäßig trifft. Wir haben uns vor 15 Jahren im Rahmen eines Seminars zum Thema „Führung und Coaching“ kennen- und schätzen gelernt. Das Miteinanderreden und auch die unterschiedlichen Entwicklungen der Gruppenteilnehmerinnen sind überaus wertvoll für die täglichen Herausforderungen.

Inzwischen findet man Ihr Sortiment in rund 100 Hofläden und vielen Lebensmittelmärkten wie z.B. Edeka, Combi etc. – wer macht die Kundenakquise?

Im ersten Jahr habe ich viel Aufwand mit der Kundenakquise betrieben, die Supermärkte besucht und mit den Betreibern der Hofläden gesprochen. Anfangs habe ich die bestellte Ware sogar persönlich ausgeliefert. Manche Supermärkte wollen, dass man selbst die Regale prüft und bestückt. Bei anderen hingegen gehören wir zum Standardprogramm bei den regionalen Produkten.
Da es unzählige Hofläden in ganz Deutschland gibt, sind persönlichen Besuche gar nicht realisierbar. Die Akquise läuft heute häufig über Social-Media wie Instagram. Es gibt auch eine „Hofladen-Community“ – hier läuft alles über Mundpropaganda. Das ist wirklich klasse! Ich telefoniere mit den Betreibern und oft gehen die Gespräche tatsächlich sehr lange, da wir uns auch hier über dies & das austauschen.
Wichtig ist auch unser Instagram-Kanal. Die Community erfährt alles rund um die Saat, die Ernte, über unsere Müslis, über unser Team und erhält Impressionen aus unserem Hofleben. Das spricht sich rum und es gibt stetig weitere Follower.

D.h.: sie kümmern sich quasi um alles – angefangen von den Gesprächen mit potenziellen Händlern, erstellen die Beiträge für die Social-Media Kanäle, Rezeptkarten, Verpackung, Marketing und die nächste Aussaat … und Sie sind Mutter zweier Kinder. Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus?

Ich habe ein wirklich tolles Team, das mich unterstützt. Für unseren Online-Shop habe ich jetzt eine Mediagestalterin eingestellt, so dass ich auch hier Unterstützung habe. Neben Hafergut führe ich halbtags das Büro eines Unternehmerverbandes – aber ich sehe das nicht als Belastung, sondern als Mehrwert.

Welche neuen Projekte haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen und wo sehen Sie sich in 5 Jahren?

Unser derzeitiges Sortiment besteht aus dem Landmüsli mit Rosinen, ein Hafermüsli mit Schokolade und Hafergranola mit Kokos. Ebenfalls bieten wir Hafer Pops, Hafermehl und Haferkekse an. Zu Weihnachten kommt ein neues Produkt … Hafermüsli mit gefriergetrockneten Pflaumen. Sie dürfen gespannt sein.

Und – was allerdings schon jetzt umgesetzt wurde, ist das neue Design unserer umweltbewussten Verpackungen.

Was lieben Sie ganz besonders an der Hafergut Görlich Heimatstadt Bünde?

Ich finde OWL als Region einfach toll. Sie ist stolz und hat eine wunderbare Landwirtschaft.
Und Bünde? Bünde ist einfach pragmatisch charmant – überall ist etwas Herzlichkeit! Ich genieße die Fahrt zwischen meinem Wohnort Harsewinkel und Bünde, diese wunderschöne bäuerliche Landschaft und an vielen Ecken warten neue Ideen und tolle Menschen.